- Forschungs- und Erinnerungsarbeit zu Zwangsarbeiterschicksalen und NS-Geschichte im Harzgebiet -
Vortrag. Prof. Dr. Winfried Schulze:
Die Verdrängung.
P r e s s e i n f o r m a t i o n
Vortrag des Geschichtsvereins Goslar in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule des Landkreises Goslar und dem Verein Spurensuche Harzregion e. V.
Donnerstag, 18. April 2024, 19:30 Uhr
im großen Sitzungssaal des Kreishauses Goslar, Klubgartenstraße 6
Der Weg des Juristen Helmut Schneider von Auschwitz nach Goslar.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 begann die Karriere des Juristen Helmut Schneider in der Stadtverwaltung Goslar: 1949 wurde er zum Stadtdirektor ernannt und leitete die Stadtverwaltung wenig später bis zu seinem frühen Tod 1968 als Oberstadtdirektor. Im Nationalsozialismus war Schneider leitender Mitarbeiter im Personalbereich der IG Farben (Ausschwitz), die 1941-1945 in unmittelbarer Nachbarschaft zum KZ Auschwitz mit Hilfe von tausenden jüdischer Häftlinge ein großes Chemiewerk aufbaute.
Schneider, der später seine Distanz zu den Machthabern betonte, wurde damit zum Mitorganisator des Systems der Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen und damit der "Vernichtung durch Arbeit", zum systemischen Mittäter. Im kleinen Kreis äußerte er sich kritisch über die "Schinderei" der Häftlinge und die "Gewaltherrschaft" der Nazis. Zugleich
wurde er zum Beschützer einer großen Gruppe französischer Zwangsarbeiter, deren Aktivitäten für die Résistance er unterstützte und die er im Januar 1945 auf dem gefährlichen Weg nach Westen begleitete. Das trug ihm den Titel des "anti-nazi assesseur Schneider" ein, die französische Regierung lobte seine "bienveillance" gegenüber den
Zwangsarbeitern. Mit den jungen Franzosen schloss er eine lebenslange Freundschaft, die u.a. zur deutsch-französischen Städtepartnerschaft Goslars mit Arcachon führte.
Im Nürnberger Prozess gegen die IG Farben war Schneider als Zeuge vorgeladen und musste sich danach seinerseits einem langwierigen Entnazifizierungsverfahren und einem Strafprozess unterziehen. Während seiner Tätigkeit als Oberstadtdirektor verfasste er politisch-philosophische Texte und war Briefpartner und Freund von Ernst Jünger.
Schneider war eine gespaltene Persönlichkeit. Er funktionierte im System der IG Auschwitz, trotzdem arbeitete er für die französische Résistance und informierte einen deutschen Widerstandskämpfer bei seinen Besuchen in Auschwitz über die Vorgänge im Lager und über Rüstungsdetails. Gleichwohl blieb er seinem Chef in der Aussage in Nürnberg verbunden und hielt ihm 1967 eine Grabrede, die das Wort Auschwitz vermied. In Auschwitz verdrängte er sein Mitläufertum durch die Sorge für „seine“ Franzosen. Nach 1945 wich er einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit aus.
Prof. em. Dr. Winfried Schulze studierte ab 1965 Mittlere und Neuere Geschichte und´Politischen Wissenschaften an der Universität zu Köln und seit 1966 an der Freien Universität Berlin. Nach seiner Promotion 1970 arbeitete er als Assistent und Assistenzprofessor an der Freien Universität Berlin und war von 1974-1976 Professor an der
Gesamthochschule Kassel. Nach seiner Habilitation 1975 folgten Professuren an der FU Berlin, der Ruhr-Universität Bochum und der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er bis zu seiner Emeritierung 2008 den Lehrstuhl für die Geschichte der Frühen Neuzeit innehatte. 2023 erschien sein Buch "Die Verdrängung", das die Grundlage seines Vortrags bildet.
Die Teilnahme am Vortrag ist für alle Interessenten kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Der ursprünglich für diesen Termin vorgesehene Vortrag wird auf unbestimmte Zeit verschoben.
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