- Forschungs- und Erinnerungsarbeit zu Zwangsarbeiterschicksalen und NS-Geschichte im Harzgebiet -
Zur antifaschistischen Geschichte im Südharz
Von Bernd Langer
Mit dem Ende des I. Weltkrieges, November 1918, brach eine wirtschaftlich harte und politisch unruhige Zeit heran. Besonders in Bad Lauterberg entwickelte sich im Zuge der revolutionären Ereignisse vom November 1918 eine starke linke, bald kommunistisch dominierte Bewegung. Ein Arbeiter- und Soldatenrat übernahm kurzzeitig die Verwaltung. Wenig später, während des Kapp-Putsches 1920, bewaffnete sich die revolutionäre Arbeiterschaft und bezog Posten an strategisch wichtigen Punkten. Erst nachdem Reichswehrtruppen die Stadt umstellt hatten, gaben die Arbeiter ihre Waffen ab. Bereits 1921 existierte eine KPD-Ortsgruppe in Bad Lauterberg, die bei den sozialen Auseinandersetzungen im Südharz eine führende Rolle spielte. Neben organisierten Demonstrationen und Streiks gab es oft spontane Aktionen. Besonders unruhig verlief das Jahr 1923. Die Inflation erreichte ihren Höhepunkt, die Menschen litten bittere Not. In der Folge kam es zu mehreren Hungerrevolten bei denen die radikale Arbeiterschaft nach öffentlichen Kundgebungen durch die Stadt zog und Läden plünderte. Ladenbesitzer, die Lebensmittelvorräte gebunkert hatten, wurden auf Karren durch die Straßen gezogen und verspottet. Wegen anhaltender Unruhen und der starken kommunistischen Bewegung in Lauterberg ließ die Landesregierung eine Schutzpolizei (Schupo) Einheit im Ort kasernieren. Insbesondere gegen Versammlungen der KPD ging diese Sonderpolizei mehrfach hart vor. Wie im September 1924, als sie eine überfüllte KPD-Versammlung in Lauterberg auseinanderprügelte. Kurze Zeit später, am 8. Oktober, fiel der Polizist Hegener, der dieser Polizeitruppe angehörte, einem mysteriösen Mord zum Opfer. Die Leiche wurde nie gefunden, ebenso wenig konnten die näheren Tatumstände aufgeklärt werden. Der Mord hatte direkte Folgen für die Kommunisten in Bad Lauterberg. Gegen Karl Peix, den KPD-Vorsitzenden, und einige andere Partei-Anhänger wurde Haftbefehl erlassen. Mehrere Monate saßen die Beschuldigten in Untersuchungshaft. Die Anklagebehörde behauptete, dass die örtlichen Kommunisten unter Führung von Karl Peix den Polizisten ermordet und die Leiche im Brennofen der Blechwarenfabrik eingeäschert hätten. Doch nichts von diesen Anschuldigungen konnte bewiesen werden. Die Verfahren wurden schließlich eingestellt.
Die Nazis von der Straße gefegt
Unter ihrem Vorsitzenden Karl Peix gewann der Unterbezirk Lauterberg (UBL) immer mehr politischen Boden. Anfang der 30er Jahre stieg die Zahl der KPD-Mitglieder in der Stadt auf über 400 (bei damals knapp 7000 Einwohnern). Politisch schien die KPD die SPD zu überrunden. "Bad Lauterberg ist genauso rot wie der rote Wedding in Berlin", lautete eine beliebte Polit-Parole, die darauf anspielte, dass die Wahlerfolge reichsweit nur mit diesem kommunistisch bestimmten Bezirk in Berlin zu vergleichen waren. 1932 schaffte Peix den Sprung in den Provinziallandtag in Hannover. Damit war er Landtagsabgeordneter, eine außergewöhnliche parlamentarische Karriere für einen Arbeiter aus Bad Lauterberg. Dieser starke kommunistische Einfluss machte Bad Lauterberg zu einem schwierigen Terrain für die Nazi-Bewegung, die hier auf den massivsten Widerstand im gesamten Harzgebiet traf! Im April 1932 wollten die Nazis erstmals mit einer großen Demonstration in Lauterberg Flagge zeigen. Dafür wurde die gesamte SA der Region zusammengezogen. Karl Peix forderte als Stadtrat das Verbot dieser Nazi-Demonstration. Der Rat und die örtliche Polizei entsprachen dem Antrag, doch der Nazi-Aufmarsch wurde kurze Zeit später von einem übergeordneten Gericht erlaubt. Eine Konfrontation war damit unvermeidlich. Ungefähr in Höhe des Postplatzes gelang es entschlossenen Antifaschisten, die Polizeisicherung auf zwei Seiten zu durchbrechen und die SA, insbesondere den Fahnenträger, anzugreifen. Es kam zu einer heftigen Straßenschlacht, in deren Verlauf die Nazis "von der Straße gefegt wurden", so der vor einigen Jahren verstorbene Kommunist Fritz Ließmann in einem Interview von 1979. Knüppelholz zweier großer Holzstöße, Koppelzeug (Lederriemen) und Beile wurden als Schlagwerkzeuge eingesetzt. Es gab etliche Verletzte und im November 1932 folgte der große Bad Lauterberger Landfriedensbruch-Prozess. Angeklagt waren 15 Kommunisten und zwei Nazis. ZweiKommunisten und ein Nazi wurden zu Gefängnisstrafen von zwei bis drei Monaten verurteilt, die restlichen Angeklagten freigesprochen. In der Folgezeit kam es zu mehreren Attentatsversuchen auf Peix, die alle scheiterten.
Kommunisten und ein Nazi wurden zu Gefängnisstrafen von zwei bis drei Monaten verurteilt, die restlichen Angeklagten freigesprochen. In der Folgezeit kam es zu mehreren Attentatsversuchen auf Peix, die alle scheiterten.
Streikaktionen gegen die Nazis
Am Tag der Machtübertragung auf die Faschisten, am 30. Januar 1933, streikten in Bad Lauterberg die Arbeiter, und es kam zu antifaschistischen Kundgebungen. An den Fabrikschornsteinen wurden rote Fahnen gehisst. Daraufhin wurde Polizei und SA als Hilfspolizei gegen die Streikaktionen eingesetzt. Durchsuchungen, Verhaftungen, Misshandlungen gegen bekannte Antifaschisten folgten. Am 20. März 1933 berichtete das Bad Lauterberger Tageblatt von einer solchen Razzia: "Am Freitag und Sonnabend fanden in Barbis, Bartolfelde und Lauterberg durch Landjäger und Hilfspolizeibeamte unter Führung des Landrates Haussuchungen bei kommunistischen und sozialdemokratischen Funktionären statt ... fünf Kommunisten wurden verhaftet."
Schlag auf Schlag wurden die KPD und ihre Organisationen, danach die SPD und die Gewerkschaften verboten. Doch die KPD organisierte ihren Widerstand aus der Illegalität heraus. Ihre Parteistruktur wurde fortgeführt und antifaschistische Flugblätter und Zeitungen verbreitet. Ziel war es, "Massenaktionen gegen den Faschismus" zu entwickeln, worunter vor allem Streiks und Aktionen des zivilen Ungehorsams verstanden wurden. Bei allen Opfern, den dieser Widerstand kostete, kam es zu keinen bewaffneten Aktionen von Seiten der Kommunisten. Bombenanschläge und Attentate auf Nazis waren nicht Teil des antifaschistischen Kampfes der KPD.
Da es trotz aller Verhaftungen und Repression immer noch Widerstand gab, holten die Nazis am Sonntag, den 17. September 1933, zum entscheidenden Schlag gegen die Antifaschisten aus. Den Kommunisten in Bad Lauterberg sollte der Garaus gemacht werden. Ein 750 Mann starkes Einsatzkommando aus berittener SA und SS, Schupos, Landjägern und Ortspolizei fiel um vier Uhr morgens in die Stadt ein. Zeitungsartikeln zufolge wurden 115 Wohnungen durchsucht und 251 Personen verhaftet. Es war die größte Razzia, die je im Landkreis Osterode stattfand. Dennoch entgingen den Häschern zentrale Köpfe des Widerstandes, unter ihnen der KPD-Vorsitzende Karl Peix.
Die Toten bleiben Mahnung
Von der Polizei gesucht, blieb Peix unermüdlich politisch tätig, bis er Ende Oktober 1933 den NS-Schergen ins Netz ging. Er wurde im KZ Buchenwald inhaftiert, wo er zu den führender Personen der illegalen Widerstandsorganisation zählte. Am 6. November 1941 kam er ins Außenlager des KZ-Buchenwald in Goslar. Auf dem Gelände des Fliegerhorstes wurde Karl Peix von einem SS Mann durch einem Pistolenschuss ermordet. Gleich nach der Tat wurde die Leiche verbrannt, die Urne ruht heute neben der seiner Frau auf dem Waldfriedhof. 1949 wurde für Karl Peix (geboren am 27. März 1899), Otto Bockelmann und Bruno Maue, zwei weitere von den Nazis ermordete Antifaschisten aus Bad Lauterberg von der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes) ein Gedenkstein am Felsenkeller errichtet.
Der Tischler Otto Bockelmann, geboren am 26. Dezember 1910, starb am 10. November 1943 an den Folgen seiner Haft im KZ-Esterwegen; die Trauerfeier auf dem Waldfriedhof wurde von der Gestapo überwacht, sodass sich nur ganz wenige Menschen dort hin trauten. Bruno Maue, von Beruf Maler, geboren am 15. September 1894, beteiligte sich am Widerstand, obwohl er kein Kommunist war. Am 30. Dezember 1939 von den Nazis im KZ- Sachsenhausen ums Leben gebracht. Noch ein weiter ermordeter Antifaschist ist bekannt, dessen Name aber nicht auf dem Gedenkstein eingemeißelt ist. Karl Pape, von Beruf Tischler, geboren am 14. Juni 1893, Anfang der 40er Jahre von der Gestapo verhaftet, am 20. Mai 1943 im Häftlingsbau des KZ-Stutthof umgekommen.Kommunisten und ein Nazi wurden zu Gefängnisstrafen von zwei bis drei Monaten verurteilt, die restlichen Angeklagten freigesprochen. In der Folgezeit kam es zu mehreren Attentatsversuchen auf Peix, die alle scheiterten.
1. Foto: Schutzpolizei (Schupo) geht 1923 mit aufgepflanztem Bajonett gegen eine kommunistische Demonstration vor.
2. Foto: SA beim 1.Mai Umzug 1933 am Postplatz in Bad Lauterberg. Noch ein Jahr zuvor waren die Nazis unweit dieser Stelle durch eine entschlossene antifaschistische Aktion von der Straße gefegt worden.
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