- Forschungs- und Erinnerungsarbeit zu Zwangsarbeiterschicksalen und NS-Geschichte im Harzgebiet -
Geschichtsfälschung in Nordhausen?
Nordhausen nach der Bombardierung im April 1945 (Stadtarchiv Nordhausen)

1. Fachforum Erinnerungskultur Bückeberg
Freitag, 23.02.2018, 15 Uhr, Altes Hallenbad, Hafenstr. 19, 31785 Hameln

verfolgt - verfemt - zerstört | Kunst im Nationalsozialismus
Samstag, 27.01.2018, 17 Uhr, Lutherkirche Bad Harzburg

Gedenkveranstaltung anlässlich des Auschwitz-Gedenktages
Samstag, 27.01.2018, 15 Uhr, Gedenkstein Stapelner Straße, Goslar

Fliegerhorst mit Walter-Krämer-Straße
Goslarsche Zeitung vom 22.11.2017

Ehrung für Walter Krämer in Siegen - wann endlich auch in Goslar?
Briefmarke für den Arzt von Buchenwald erschienen

Statt Dr.-Otto-Fricke-Platz Ehrung des "Gerechten unter den Völkern" Walter Krämer, der in Goslar ermordet wurde
Presseinformation

Erinnerungs-Konferenz in Goslar am 1.10.2016
Heimat in der Fremde - Zwangsarbeiter, Vertriebene und Flüchtlinge in Deutschland nach 1945

"Keiner kommt durch" - Jugendintegration bei Harzfahrt mit internationalen Teilnehmern aus fünf Ländern
Veranstaltung

"Keiner kommt durch" - Dietmar Schultke liest in Goslar aus seinem Buch
Erlebnisse eines DDR-Grenzsoldaten auf dem Brocken

Forschungen zur Nachkriegsgeschichte Goslars
Vortrag (Dr. Peter Schyga) und Gespräch, Donnerstag, 18. Februar 2016, 18:30 Uhr, Amsdorfhaus, Dorothea-Borchers-Str. 14, 38640 Goslar

Holocaust-Gedenktag
Lutherkirche in Bad Harzburg am 27.1.2016 um 18.00 Uhr statt

Fremde in Deutschland
Displaced Persons, Flüchtlinge und Vertrieben nach 1945 - Veranstaltung am Donnerstag, den 21. Januar 2016, 19 Uhr,
Gemeindesaal der Ev.- luth. Kirchengemeinde St. Georg, Danziger Str. 32, 38642 Goslar

Einweihung des André Mouton-Platzes in Goslar-Oker
Donnerstag, 21. Mai 2015, um 11:45 Uhr, André-Mouton-Platz

Gedenkveranstaltung am 8.5.2015 am KZ-Gedenkstein Baßgeige
17 Uhr, Gedenkstein Stapelner Straße Ecke Grauhöfer Landwehr

Gedenkveranstaltung am 9.5.2015 in Ilsede
Spurensuche Harzregion hilft bei der Wiederentdeckung der Gadenstedter Stele

70 Jahre Harzer Todesmärsche kurz vor dem Kriegsende
Gedenken im HöhlenErlebnisZentrum Bad Grund - Dienstag, 14. April 2015, 18 Uhr

10. April 1945 - Kriegsende in Goslar
Vortrag, Lesungen, Film, Gespräche - Freitag, 10. April 2015, 18 Uhr,
Goslarer Museum

Harzer Ahnenerde, Maschinen-Weule und Zwangsarbeit in Goslar
Ortsbesichtigung und Lesung am Do. 20. November 2014, 18 Uhr, Odermarkplatz (Treffpunkt)

Auschwitz und die Nachkriegszeit
Veranstaltungshinweis Mittwoch, 29. Januar 2014, 18.30,
Gemeindesaal Stephanikirche, Goslar

Holocaustgedenktag - Kranzniederlegung
Veranstaltungshinweis Montag, 27. Januar 2014, 18.00,
Trollmönch, Ecke Glockengießerstraße, Goslar

Holocaustgedenktag - Zum Gedenken an Regina Jonas
Veranstaltungshinweis Montag, 27. Januar 2014, 18.00,
Lutherkirche Bad Harzburg

Jahrestag der Harzburger Front. Veranstaltung
18. Oktober 2013, 18 h,
Haus der Kirche, Lutherstraße 7, Bad Harzburg

Veranstaltungshinweis: NS-Machtergreifung in Goslar 1933 - Mob und Elite zerstören des Menschen Recht
Vortrag am Donnerstag, den 15.08.2013 im Kino Goslarer Theater, Breite Straße, Goslar

Veranstaltung: Deutschland und Bad Harzburg 1933 - Die Zerstörung der demokratischen Republik.
Veranstaltung des Vereins Spurensuche Harzregion am 9. April 2013, 18.30 Uhr Haus der Kirche,
Luthergemeinde (Lutherstr. 7)

Haben wir alles richtig gemacht? Widerstand im KZ Buchenwald
Vorstellung der neuen Audio-CD von Bernd Langer in Goslar am 13. April 2013, 15 Uhr, Hotel Die Tanne, Bäringerstr. 10

Aufstieg, Machteroberung, Machtsicherung der NSDAP in Wernigerode - einige aktuelle Forschungsergebnisse
Einladung zum Vortragam Dienstag, dem 3. Juli 2012 um 19.00 Uhr in der Mahn- und Gedenkstätte am Veckenstedter Weg, Wernigerode

"Und dann fangen wir von vorne an"
Aus dem Leben des 96-jährigen deutschen jüdischen kritischen Kommunisten Prof. Theodor Bergmann. Film und Gespräch. Mi. 11. Juli 2012 18. 00 Uhr Wandelhalle Bad Harzburg

Harzburger Front: Präsentation der Ausstellung im Kreishaus Goslar
In der Zeit vom 24.04. bis zum 03.05. wird die Ausstellung im Kreishaus des Landkreises Goslar gezeigt.

Harzburger Front: Präsentation der Ausstellung in der Synagoge Celle
Auf Einladung des Stadtarchivs Celle ist die Ausstellung vom 26. Januar bis zum 1. April 2012 der Celler Synagoge zu sehen.

Harzburger Front: Ausstellung wird während der Antifawoche der IGMetall in Wolfsburg gezeigt
Ausstellungseröffnung: 06.11.11 17:00Uhr, Gewerkschaftshaus Wolfsburg

Harzburger Front: Erinnern an die Harzburger Front von 1931
Veranstaltungsreihe

Harzburger Front: Ausstellung wird in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora gezeigt
27. Sept. bis 31. Okt. 2011

Wer kennt Dr. Paul Bosse
Anfragen an die Redaktion

Austellung zur Harzburger Front in Wolfenbüttel
Veröffentlichung zweier Vorträge aus dem Begleitprogramm

Die Ausstellung in der Wandelhalle in Bad Harzburg
Interview mit Dr. Peter Schyga und Markus Weber auf TV38

Mutwillige Beschädigung der Ausstellung zur "Harzburger Front" in Bad Harzburg. Eine antisemitisch motivierte Aktion?
Pressemitteilung

Harzburger Front: Das Ende der Ausstellung in der Wandelhalle
Neue Konzeptionen in Angriff genommen

Harzburger Front: Zerstörung einer Tafel in der Ausstellung
Ein politisch motivierter Anschlag?

Ausstellung zur Harzburger Front wird in Wolfenbüttel gezeigt
12. Mai bis 4 Juli 2011,
Große Schule, Wolfenbüttel

Verein Spurensuche Harzregion e.V. tagt am 29.3.2011 um 18 Uhr in Seesen
Seesener Stadtgeschichte um ein wichtiges Kapitel ergänztg

Ausstellung zur Harzburger Front in Wernigerode
Presseberichterstattung

Das Treffen der Nationalen Front
Dokumentation aller Artikel und Meldungen der Goslarschen Zeitung

Die Ausstellung "Harzburger Front. Im Gleichschritt zur Diktatur" wird in Hannover gezeigt
7. bis 25. M&auuml;rz 2011,
Volkshochschule Hannover

Die Ausstellung "Harzburger Front. Im Gleichschritt zur Diktatur" wird in Wernigerode gezeigt
20. Januar bis 18. Februar 2011, Hochschule Harz

Eine Bilanz: Die Ausstellung zur Harzburger Front in Braunschweig
Die Doppelausstellung "Harzburger Front. Im Gleichschritt zur Diktatur" des Vereins Spurensuche Harzregion und "Rechtsextremismus Heute" der ARUG im Braunschweigischen Landesmuseum - eine kurze Bilanz.

Feierstunde zur 200. Wiederkehr der Einweihung des Jacobstempeks
Fr. 12. November 2010, 11.00 Uhr, Aula des Schulzentrums Seesen

Spuren jüdischen Lebens in Bad Harzburg
Do. 27. Oktober 2010, 19.00 Uhr, Vortrag und Gespräch in der Wandelhalle Bad Harzburg

Ausstellung der "Harzburger Front" in Braunschweig eröffnet
Dokumentation der Eröffnungsrede von Dr. Peter Schyga

Vorträge zur Ausstellung der "Harzburger Front" in Braunschweig
Termine zur Vortragsreihe und Flyer

"Erziehung von Rechts?" - Chancen und Mäglichkeiten einer zivilgesellschaftlichen Prävention
Seminar in der JH Goslar vom 01. bis zum 02.10.2010

Ausstellung "Harzburger Front" in Braunschweig
19.09.-19.12.2010, Eröffnung 19.09.2010, 11 Uhr, Braunschweigisches Landesmuseum

"Kuhle Wampe"
Film in der Wandelhalle Bad Harzburg am 13. April 2010um 18:00 Uhr

Radiomitschnitt: Erntedank und "Blut und Boden" - Bückeberg/Hameln und Goslar 1933 bis 1938
Interview mit Dr. Peter Schyga auf Radio Tonkuhle

Lesung und Debatte: Schygas Buch "Kirche in der NS-Volksgemeinschaft"
Veranstaltung am 18.02.2010, Buchhandlung Tippach

Die Ausstellung "Harzburger Front" geht auf Reisen
Im niedersächsischen Landtag vom 22.02.2010 bis 05.03.2010

Webseite zur Ausstellung "Harzburger Front - Im Gleichschritt in die Diktatur
www.harzburger-front.de

Grüne Sternwanderung auf den Brocken
Aktion am 31. Januar 2010 - Pressemitteilung

"Jugend auf der Spur von Vielfalt und Kultur"
Ein Workshop der Jugendherberge Goslar

Onlinemeldeformular für Niedersachsen
Meldestelle Rechtsextremismus

Harzburger Front - Zeitzeugen berichten
Pressemitteilung und Einladung

Harzburger Front - Veranstaltung zum Jahrestag
Freitag, 16. Oktober 2009, 15-18 Uhr, Wandelhalle/Badepark

Ausstellungseröffnung - Erntedank und "Blut und Boden"
Pressemitteilung

Ausstellung - Erntedank und "Blut und Boden"
Goslarer Museum, 04. Oktober - 01. Nov

Heilsame Unruhe - erfüllte und enttäuschte Hoffnungen
Veranstaltung am 10. Oktober 2009 um 19:00 Uhr in Wernigerode

Mahn- und Gedenkstätte Wernigerode
Neuregelung der Öffnungszeiten in der Mahn- und Gedenkstätte Wernigerode

"Im Gleichschritt zur Diktatur"
Neue Ausstellung zur Harzburger Front

Harzburger Front. Im Gleichschritt in die Diktatur
Ausstellungseröffnung

Veranstaltung: Amsdorfabend
Peter Schyga. Goslarer Kirchengemeinden gegen Blut-Boden-Rasse-Fundamentalismus

Von der Harzburger Front zur Diktatur
Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe "Ausstellung Harzburger Front von 1931" veranstalteten wir am 15. Apr 2008 im Rathaus Bad Harzburg...

Besuch ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Seesen 2008
Vom 27.3.-1.4.2008 sind auf Einladung unseres Vereins und der Stadt Seesen ehemalige polnische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im Harz zu Besuch.

Video: Einmarsch US-amerikanischer Truppen in Langelsheim und in Goslar
Dieses Video zeigt den Einmarsch US-amerikanischer Truppen in Langelsheim und in Oker.

65. Jahrestag der Ermordung von Walter Krämer und Karl Peix
Veranstaltungsbericht

Harzburger Front 1931
Fanal zur Zerstörung einer demokratischen Republik

Holocaust-Gedenktag 2006
Bericht über die Veranstaltung in Clausthal-Zellerfeld

Holocaust-Gedenktag 2005
Bericht über die Veranstaltung in Mönchehof

Sprengstoff im Oberharz
Stadterkundung zur Clausthal-Zellerfelder NS-Geschichte

NS-Zeit in Vienenburg
Bitte um Unterstützung

Zur antifaschistischen Geschichte im Südharz
Ein Überblick über die NS-Zeit und antifaschistische Tätigkeiten in Bad Lauterberg

Prof. Walter Schoenichen in Goslar
Wer war Prof. Walter Schoenichen?

"Gebt uns unsere Würde wieder - Kriegsproduktion und Zwangsarbeit in Goslar 1939 - 1945"
Die KZ-Mahn- und Gedenkstätte Wernigerode zeigt derzeit unsere Sonderausstellung

Harzer Gedenktag 2005 für die Opfer des Nationalsozialismus in Seesen-Münchehof
Vorträge mit begleitender Wandtafelausstellung und Diskussionen zu Ereignissen und Plätzen nationalsozialistischen Unrechts und Zwangsarbeit in Münchehof und Umgebung.

GZ: Plagge kämpfte für seine Juden
Vortrag über einen gerechten unter den Völkern - "Ich habe getan, was mir erlaubt war"

Geschichte des KZ-Außenkommandos aufarbeiten
CvD-Gymnasium schließt Patenschaftsvertrag mit Verein Spurensuche

Spurensuche Goslar - wir über uns
"Die sich des Vergangenen nicht erinnern, sind dazu verurteilt, es noch einmal zu erleben."

Akteneinsicht für unsere Recherchen verweigert
Preussag und Borchers/H.C. Starck: Akteneinsicht für unsere Recherchen verweigert

Spurensuche Goslar in der Bundestagsdebatte
Vom Sep 1999 bis Juni 2000 haben wir im Goslarer Museum auf 10 Schautafeln unsere Ausstellung "Zwangsarbeit in Goslar 1939 - 1945" präsentiert...

Schnelle Hilfe tut not - was kann ich tun?
Viel zu lange spielten viele deutsche Unternehmen ganz offensichtlich auf Zeit.

Einweihung des Gedenksteins am Standort des ehemaligen KZ-Lagers Goslar nahe dem Fliegerhorst Goslar
Am 21. Juni 2002 mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und öffentlichem Leben...

Erinnerungsstätten im Landkreis Goslar
Unser zweites Anliegen ist die Schaffung von Erinnerungsstätten zur Zwangsarbeit und zum NS-Geschehen in Goslar...

Aktuelle Projekte - machen Sie mit!
Wir beteiligten uns an der Ausrichtung des bundesweiten Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus...

Ausstellung der "Harzburger Front" in Braunschweig eröffnet

Am So., 19. Sept. 2010 wurde im Braunschweigischen Landesmuseum die Präsentation der Ausstellungzusammen mit der Ausstellung "Rechtsextremismus heute" der ARUG eröffnet.

Mehr als 100 Menschen hörten den Begrüßungen von Dr. Hans-Jürgen Derda, kommissarische Direktor des Braunschweigischen Landesmuseums, Markus Weber vom Verein Spurensuche Harzregion und den Vorträgen von Dr. Peter Schyga undReinhard Koch aufmerksam zu. Diese Doppelausstellung versteht sich als eine Art Pilotprojekt, durch Darstellung und Analyse des Weges in die NS-Diktatur ein Lernen aus Geschichte mit Formen und Handlungsweisen des gegenwärtigen Rechtsextremismus in Beziehung zu setzen.

Reinhard Koch plädierte in seinem Vortrag, den Rechtsextremismus, seine inneren Verbindungen zur Mitte der Gesellschaft und seinen erheblichen Einfluss auf Teile von Jugendkultur ernst zu nehmen. Es gelte insbesondere den an den Rand der Gesellschaft gedrängten jungen Menschen Formen der Integration und Partizipation nahe zu bringen, praktisch zu erläutern, dass "Demokratie Spaß macht".

Peter Schyga trat in seinem Vortrag "1931 war die Zukunft für die Menschen offen" dafür ein, Geschichte als vormals offenen Prozess zu verstehen, um sie begreifen zu können. Denn Begreifen von Geschichte ist - das zeigt sich an erheblichen Defiziten unserer gegenwärtigen Erinnerungsarbeit und Gedenkkultur - Voraussetzung, den beliebten Imperativ "aus Geschichte Lernen" für die Gegenwart konstruktiv auszufüllen.

An dieser Stelle sei die Rede von Dr. Peter Schyga dokumentiert (unten als html/Text-Version):



Peter Schyga, Hannover
1931 war die Zukunft für die Menschen offen.

Vortrag auf der Eröffnungsveranstaltung der Doppelausstellung "Harzburger Front im Gleichschritt zur Diktatur" des Vereins Spurensuche Harzregion und "Rechtsextremismus heute" der Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt Braunschweig im Braunschweigischen Landesmuseum am 19. September 2010.

Wir haben unsere Ausstellung bei ihren Eröffnungen mit Fachvorträgen begleitet. In Bad Harzburg sprach Prof. Joachim Perels, Hannover, zur "Bedeutung der 'Harzburger Front' für den Aufstieg des Nationalsozialismus, im niedersächsischen Landtag Prof. Sybille Steinbacher, Jena u. Frankfurt am Main, "Der Tag von Bad Harzburg. Zur Bedeutung der 'nationalen Opposition' gegen die Weimarer Republik".1 Meine Vortrag heute ist der erste einer Reihe von Veranstaltungen zu Politik und Kultur im Themenfeld der Ausstellung, die wir hier im Museum abhalten werden.

Er handelt davon, dass die Zukunft für die Menschen der Krisenzeit von Weimar, einer Zeit, mit der sich unsere Ausstellung befasst, offen gewesen sei. Sich heute in dieser Sichtweise der Vergangenheit zu nähern, hat im Wesentlichen zwei miteinander verwobene Gründe, über die ich heute auch sprechen will:
Wir können Geschichte begreifen lernen, wenn wir sie nicht nur als geronnene Vergangenheit wahrnehmen, sondern als ein Ringen der damals politisch Handelnden um ihre Gegenwart und Zukunft damals betrachten. Mit dieser Herangehensweise eröffnen sich uns andere Reflexionsebenen für gesellschaftliches Handeln in der Gegenwart.
Vorwegschicken möchte ich eine Bemerkung: Im Lichte relativ aktueller Äußerungen aus der Mitte der Gesellschaft zu Möglichkeiten und Bedingungen von Ausgrenzung und der Konstruktion gesellschaftlicher Freund/Feind-Beziehungen im Geiste Carl Schmitts habe ich den inhaltlichen Schwerpunkt meines Vortrags ein wenig verändert. Ich werde bei meinen historischen Betrachtungen etwas mehr Wert auf den Gegenwartsbezug legen. Ich hoffe, sie werden dafür Verständnis haben.

Wir haben heute in unserem heutigen Musikprogramm eine Änderung gegenüber unserer bisherigen Praxis eingeführt. Statt des "Kälbermarschs" sang Bernd Krage-Sieber das "Solidaritätslied", entstanden für und um den Film Kuhle Wampe, den wir in 3 Wochen hier zeigen und kommentieren werden. Ich will nicht allzu viel vorwegnehmen: doch die Botschaft dieses 1931/32 entstandenen Films lebt von der Utopie einer anderen Welt, wenn es am Schluss des Liedes und des Films heißt: "Wessen Morgen ist der Morgen, Wessen Welt ist die Welt?" Dem Ausruf wurde unter rezitierenden Sozialisten oft noch das "Unser!" hinzugefügt.

Utopie bedeutet, um mit Oskar Negt zu sprechen, "die konkrete Verneinung der als unerträglich empfundenen gegenwärtigen Verhältnisse, mit der klaren Perspektive und der mutigen Entschlossenheit, das Gegebene zum Besseren zu wenden."2
Beide Lieder handeln von unterschiedlichen "neuen Welten". In dem zynisch-bösen vertonten Gedicht von Brechts "Kälbermarsch" dräut die dunkle Ahnung von der Schlachtbank als Fanal einer Terrordiktatur. Wir wissen, diese hatte sich in ihrer Brutalität, Menschenverachtung und Menschenvernichtung durchgesetzt, wie es sich kein Mensch außerhalb des NS-Führungszirkels 1931/32, noch nicht einmal 1933/34 vorstellen konnte.
Dies war die andere, auch in Liedern - eher musikalischen Schlachtengemälden - bekundete "unsere Welt", eben keine Utopie, sondern die Welt des Teils der deutschen Gesellschaft, der diese zerstören und gewaltsam in die Gemeinschaft der Rasse- und ideologiegleichen verwandeln wollte und verwandelt hat. Es war die Welt des Heils, der Verheißung außerhalb der Normativa der Aufklärung. Es war mithin die Welt derjenigen, die, statt sich, wie es bei Kant heißt, ihres "Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen"3, dem Führer der NSDAP und dessen Befehlsorganen unterwarfen.

Von einer Etappe in diese Welt der NS-Diktatur berichtet unsere Ausstellung. Wiedergabe und Analyse von Geschichte, wie sie gewesen und geworden ist, ist ihre Aufgabe, damit wir erinnern und lernen. Erinnern und Lernen lautet die Maxime über einem Tun, das wirErinnerungsarbeit nennen. Doch irgendetwas läuft seit geraumer Zeit unrund: Das Lernen kommt zu kurz. Wir haben uns in Deutschland mühsam eine Gedenk- und Erinnerungskultur erarbeitet, die eins auszeichnet: sie stellt die Opfer des NS-Regimes in das Zentrum. Das ist unbedingt richtig. Doch der hehre Anspruch "Geschichte bewusst machen" - das Motto der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Hauptförderer des Ausstellungsprojekts -, ein Anspruch, der ja auch bedeutet Geschichte von morgen - und das ist die Gegenwart von heute - bewusst machen, das heißt gestalten, engagiert in Angriff nehmen und dies gestützt auf das Begreifen von Geschichte, dieser Anspruch kann nicht immer eingelöst werde. Er wird verkümmern, wenn wir nicht um ihn ringen.

Wir drohen uns im Gedenken an die Opfer zu verlieren, drohen die Täter und ihr Handeln, das wir doch begreifen müssen, in den Hintergrund zu schieben, drohen zu vergessen, dass Geschichte von Handelnden, den Interaktionen von Menschen um Gestaltung ihrer Gegenwart und Zukunft erzählen soll. Eine zunehmende Ritualisierung von Erinnerungskulturen und Gedenkpraktiken zu szenischen Vorführungen bei Vernachlässigung von Auseinandersetzung mit politischen Praktiken der Vergangenheit, schafft untaugliche Tabus und gewährt - gewiss ohne böse Absicht - einen Raum, in den ein mehr oder minder latent immer vorhandener Geschichtsrevisionismus eindringen kann und seine Zuhörerschaft und Beifallsbekunder findet. Geben wir uns doch nicht der Illusion hin, Dekonstruktion von Geschichte sei auf rechtsradikale Kreise beschränkt. Eine substanzielle Verfälschung von Geschichte, die Umkehrung von Tätern und Opfern, von Ursachen und ihren Folgen, geht einher mit der Verächtlichmachung von Opfern und Verharmlosung von Tätern, wie uns Frau Steinbach gerade in aller Offenheit mit bei Politikern selten gekannter Chuzpe vorführt.

Dagegen müssen wir uns einen Zugang zu Geschichte bewahren der Vergangenheit nicht als abgeschlossen, als so, wie sie gewesen ist, betrachtet, sondern der die Frage nach dem Kontrafaktischen stellt, nach den Bedingungen, Möglichkeiten der untelegenen Handlungen. Dann kann Begreifen mit und aus Geschichte gelingen. Wenn wir über das Kontrafaktische, das "wie es nicht und doch auch gewesen ist", von Geschichte nachdenken, wenn wir uns Vergangenheit als damalige Gegenwart mit offener Zukunft für die damals Handelnden vorstellen, wenn wir die gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen als damals offenen Prozess verstehen und so die "unterlegene Geschichte" zur Kenntnis nehmen4, erst dann können wir Geschichte als Lernfolie für politisches Handeln heute nutzen. Nicht fantasierend oder gar von Rechfertigungswünschen des Jetzt für damals oder heute inspiriert und motiviert, sondern quellengesättigt getragen von Fakten, Analysen, Gedanken, Politiken der damals Handelnden. Wir skizzieren damalige Optionen in der Ausstellung, indem wir zum Handeln der Gegenakteure, der Demokraten, Republikaner und auch kommunistischer Systemveränderer Stellung nehmen. Wir sollten diese Ansätze erweitern:
Begreifen heißt nämlich auch und in erster Linie, ein historisches Geschehen auf bestimmte Begriffe bringen. Das hat seinen Sinn, weil sich damit konkrete Abstraktionen und Verallgemeinerungen erschließen, die es ermöglichen, sich ein Verstehen hinter dem Bild von Geschichte, das schon schwierig genug zu zeichnen ist, zu erarbeiten. Lernen heißt dann nicht nur, sich zu einem "Nie wieder" oder "wehret den Anfängen" als Normativ für gesellschaftliches Zusammenleben heute zu entschließen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Solche Art des Erinnerns im Gedenken droht zu einem Ritual von Leerformeln zu verkommen, weil in ihr Vergangenes von der Gegenwart entkoppelt wird.

Dann wird Geschichte schnell als Ballst empfunden, die Beschäftigung mit ihr als "Moralkeule" (Martin Walser) denunziert, oder auch als museale Alibiveranstaltung in sinnentstellender Form präsentiert. Jürgen Habermas hat einmal Erinnerung als Widerlegung einer "fugendichten Normalität dessen, was sich nun mal durchgesetzt hat",5 bezeichnet und damit ihr Potential gegen eine rationalisierende Einebnung von Widersprüchen, historischen Brüchen und realem aber verlorenen Gegenwelten beschrieben.

Lernen im Sinn von Begreifen bedeutet, aktiv an der Gestaltung unseres Gemeinwesens zu arbeiten, nicht damit die Welt "unser" werde, eine hoch parteiische, spaltende Vision, sondern besser. Dazu gehört, dass wir die Zeit, die wir haben, zur Erarbeitung von politischem Urteilsvermögen nutzen - eine Zeit, die die Gesellschaft von Weimar nicht hatte.

Kontrafaktisch heißt also nicht, Geschichtsschreibung nach den ideologischen Bedürfnissen der Gegenwart zu modeln - eine sehr beliebte Übung von interessierter Seite6 -, sondern heißt, andere Fragen zu stellen, Geschichte als Handlungsprozess wahrzunehmen.
Was meint das konkret? Wir haben es in Weimar mit einer tief gespaltenen, von sozialen und politischen Gegenwarts- und Zukunftsentwürfen, die sich diametral entgegen standen, getriebenen Gesellschaft zu tun. Getrieben meine ich hier wörtlich, denn wir müssen uns immer - auch in Hinblick und im selbstvergewissernden Vergleich zu heute - vor Augen führen, in welch immens beschleunigter Zeit die Menschen damals gelebt haben. Die Zeit der Harzburger Front ist eine der dramatischen politischen, sozialen und ideologischen Veränderung.

In Weimarer Zeiten 1931/32 lebten aktiv arbeitende und politisch handelnde Menschen, die einen Weltkrieg miterlebt hatten, eine einheimische unvollendete Revolution, eine Weltrevolution in Russland, eine Inflation ungekannten Ausmaßes und nun in einer Weltwirtschaftskrise steckten, die massenhafte Armut und Elend, Deprivation und politische Orientierungslosigkeit erzeugte. Sie waren in einem Kaiserreich der Untertanen geboren, in dem jede Regung zu gesellschaftlicher Veränderung von der Staatsgewalt verfolgt wurde.

Nun waren sie eigentlich aufgefordert, eine Gesellschaft des Diskurses mit zu gestalten.
Stattdessen wurden die Klassenantagonismen in ideologisch zementierter Gestalt bestimmend für das Leben. Dieser Zustand wurde und wird in der Politik- und Geschichtswissenschaft oft so gedeutet, dass Weimar an den Antagonismen zwischen Rechts und Links gescheitert sei. Da ist natürlich viel Richtiges dran, nur darf man analytisch hinzufügen, dass das Ankommen in und Gestalten von Demokratie ein mühsamer und langwieriger, nie endender Lernprozess ist, ein Prozess der Zeit benötigt, Zeit den die politischen und sozialen Kämpfe in der Gestalt, wie sie geführt wurden, nicht gewährten.

Führen wir uns vor Augen, welche Veränderungsprozesse in der Biografie eines erwachsenen Menschen, sagen wir 1890 geboren, also 1930 im besten Alter, sich in diesen 40 Jahren vollzogen haben: 1914 schwärmte der Kaiser und mit ihm die Elite des Landes vom "Platz an der Sonne" und brach den "Großen Krieg" vom Zaum, in den unser junger Mensch, sofern er männlichen Geschlechts war, mehr oder minder begeistert ziehen musste. 1917 schien nach Brest-Littowsk der weite Osten nach deutschen Kolonialisten zu rufen. Ein Jahr später war unser fiktiv-reales Wesen in einen Epochenbruch gerissen, der Deutschland mit ganzer Kraft erfasst hatte: weite Teile Europas waren verwüstet, der Kaiser ging auf der Flucht vor Revolution und Republik ins Exil, freischärlende politisch-militärische Verbrecherbanden suchten autokratische Macht wiederherzustellen, der europäische Osten wurde zur Schimäre - und zur erklärten Aufgabe revanchistischer Politik von Hugenberg bis Hitler.

Und weiter in Stichworten: Kapp-Putsch-Versuch 1920 und Genrealstreik, Republiksturzversuch 1923 durch Hitler-Ludendorff, Hyperinflation und Rentenmark, kurzes Luftholen, Regierungskrisen und dann Weltwirtschaftskrise, Notverordnungen, Straßenkämpfe, Arbeitslosigkeit, Armut, Hunger für viele, protzender Reichtum für wenige.

Spannen wir den Zeitrahmen noch enger und vergegenwärtigen uns: Die Nationalsozialisten erhielten bei den Reichstagswahlen 1928 2,6% der Stimmen (das waren 800.000 Wähler- und Wählerinnen). Zwei Jahre erzielte die NSDAP 6,4 Millionen Wahlstimmen und vier Jahre später wurde sie mit 13,7 Millionen Wählern und Wählerinnen und 230 Sitzen stärkste Reichstagsfraktion. Fünf Jahre nach 1929 erlangten sie gewaltsam und huldvoll gefördert von den deutschen Eliten die Macht.

Dieser Zeitraum misst wenig mehr als bei uns eine Legislaturperiode. Erinnern Sie sich noch, was in der großen Koalition bei uns politisch Entscheidendes geschehen ist?
Die Epoche von Weimar war nicht nur eine ungeheuer beschleunigte Zeit, es war auch eine Ära der Unversöhnlichkeit politischer Anschauungen und ihrer Äußerungen, eine Zeit auch staatlich-administrativer Reglementierung und Zensur. Es war eine Zeit des Aufbruchs und der Gegensätze, der Suche nach Freiheit in politisch-sozialer Utopie und gnadenloser Reaktion. Hier standen Bataillone militanter Militaristen und Revanchisten weniger gut organisierten erklärten Pazifisten gegenüber, Reformer und bolschewistische Weltrevolutionäre, völkisch-rassistisch-nationalistische Kleingeister in gewalttätiger Großprotzmanier und Literaten und Künstler aller Branchen in selten gekannter Produktivität und innovativer Schaffenskraft. Die Führung einer gut organisierten Arbeiterschaft hatte im tätigen Versprechen, die revolutionären Forderungen von 1918/19 zu relativieren, den Unternehmern Rechte und Zugeständnisse abgerungen, die binnen ganz kurzer Lebenszeit Stück für Stück kassiert wurden. Den praktischen Experimenten freier Erziehung standen stockbewehrte Monokelträger in deutschen Schulklassen gegenüber. Neue musikalische Ausdrucksformen in Lied, Oper oder Revue entwickelten sich gegen blechernde Marschmusik bei Weihen und anderen vaterländischen Zeremonien. Die Literaten der Weltbühne wurden permanent vor den Kadi gezerrt, ein pazifistischer Film wie Westen nichts Neues zensiert, Kinobetreibern die Schaufenster beschmiert oder eingeworfen, derweil sich die Front alter und neuer Krieger neu formierte. Während auf den Theaterbühnen mancher Metropole die Kunst revolutionierende Stücke und Ausdrucksformen erprobt und auch bejubelt wurden, entwickelten sich Kyffhäuser und das Deutsche Eck zu Pilgerstätten völkischer Heilsvisionen, wurden in deutschen Provinzen Wettbewerbe um ein Reichsehrenhain ausgelobt. Bahnbrechende, öffentlich diskutierte Sozialwissenschaft versuchte diese Neue Zeit zu analysieren und zu erklären. Jeder kennt heute die Bedeutung der Namen Walter Benjamin, Karl Korsch, Sigmund Freud oder Herbert Marcuse, um nur ganz wenige zu erwähnen. Debatten und konstruktive Reformideen für Weimar gab es viele und hoch qualifizierte, ich nenne als Forum nur die von Rudolf Hilferding herausgegebene Zeitschrift Die Gesellschaft. Internationale Revue für Sozialismus und Politik. Die Welt hatte sich im Kultur- und Wissenschaftsaustausch internationalisiert, Berlin war eine Weltmetropole geworden mit engen Verbindungen zu Prag, Paris, London, Moskau, New York und auch Hollywood. Den Ausdruckformen und Hoffnungen auf eine andere, freiere und soziale Gesellschaft schlug tiefer dumpfer Hass, weniger des indifferenten deutschen Michel als vielmehr der Front vielsprechender und auflagenstarker Restauration und völkisch-deutschtümelnden Aufbruchs entgegen. Man kann sie näher charakterisieren, sie waren in Harzburg unmittelbar oder im Geiste anwesend. Ergänzend zur Ausstellung, dem Katalog und unserer Broschüre von 20077 liefern einige biografische Ordner Material.

Die Versuche, Ansätze, Visionen einer anderen Gesellschaft wurden zunehmend mit Gewalt - auch staatlich beförderter - eingedämmt, bis sie unter dem Johlen der deutschen Elite 1933 zu Asche verbrannt, ihre Protagonisten ins Exil vertrieben, verhaftet, geschunden und manche ermordet wurden. Immer wieder werden wir vor der Frage - salopp formuliert - stehen, was ist schief gelaufen? Kann man davon sprechen, dass irgendwann die Entwicklung unumkehrbar war? Und wenn, warum, wie ist es dazu gekommen? Oder mit Sebastian Haffner zu fragen, wie konnte es sein, dass eine Mehrheit im Frühjahr 1933 plötzlich "verschwunden" war, eine Mehrheit, die doch wusste, was mit Hitler bevor stand.

"Was ist mit Ihnen? Gehören sie wirklich zu diesem Irrenhaus? Merken sie nicht, was mit ihnen geschieht - und was in ihrem Namen geschieht? Billigen sie es etwa gar? Was sind das für Leute? Was sollen wir von ihnen halten? Tatsächlich stecken hinter diesen Unerklärlichkeiten sonderbare seelische Vorgänge und Erfahrungen - höchst seltsame, höchst enthüllende Vorgänge, deren historische Auswirkungen noch nicht abzusehen sind."8

Diese Fragen stellen wir an die Geschichte als damalige Gegenwart immer noch, um zu begriffenen Urteilen über die Vergangenheit zu gelangen. Wir können mit diesem Verfahren Geschichte natürlich nicht mehr zurückdrehen, aber wir können dies Begreifen in Konsequenzen für politisches Handeln heute münden lassen.

Wir haben unserer ersten Broschüre zur Harzburger Front den Titel "Fanal zur Zerstörung einer demokratischen Republik" gegeben. Damit bezeichnen wir implizit die Phase des Halbjahres 1931/32 als Point of no Return. Dies in der Einsicht, dass mit den Ereignissen in Bad Harzburg und Braunschweig die marodierende, sich aus Grenzgebieten gescheiterter Existenzen rekrutierende Gewaltgesellschaft der Nationalsozialisten am Leben gehalten wurde von denjenigen, die - als Mitte der Gesellschaft bezeichnet - in wohllebigen und geordneten Systemen existierten und arbeiteten: die staatliche- und Militärbürokratie, die Intellektuellen und Halbintellektuellen aus Schule, Hochschule und Redaktionsstuben, Unternehmer und Richter, Pastoren und Dichter und so weiter. Ehe sich die für das Funktionieren einer demokratischen Republik notwendigen Formen eines gewaltfreien, auf lebenswerte Zukunft orientierten Diskurses ausbilden konnten, haben die potenziellen Leistungsträger dieser Ordnung sich selbst entmündigend und damit das Gemeinwesen zerstörend dem Führer tatkräftig ihre Kooperation angedient.

Die Tatsache, dass die Herstellung der Gemeinschaft von Rechtsextremismus und Zentrum der Gesellschaft so relativ reibungslos und sehr schnell funktionierte, hat viel mit damit zu tun, dass die Anstrengungen der politisch wachen und aktiv arbeitenden demokratisch-republikanischen Mehrheitsgesellschaft keine ausreichende Widerstandskraft entfalten konnte. Weil sie so gespalten war, lautet unsere gängige Interpretation dieses Unvermögens.

Doch was heißt Spaltung eigentlich? Mit - hier Sozialdemokraten dort Kommunisten, dazwischen ein paar Syndikalisten und frei schwebende Intellektuelle Kreise bei kaum noch vorhandenen bürgerlichen Demokraten ist sie nicht hinreichend gekennzeichnet. Denn Spaltung bedeutet - jetzt ganz verkürzt - die Zersplitterung eines Gemeinwesens in Partikularinteressen und den Kampf um die Durchsetzung dieser aus subjektiven Empfindungen und Lebensentwürfen gespeisten Interessen in und gegen diejenigen von anderen.

Der Anspruch an eine Republik als Form politischer und sozialer Ordnung geht dahin, diese Interessen in geordneten, rechtsstaatlichen und gewaltfreien Verfahren zur Geltung bringen zu können. Deshalb gibt es etwa Parteien und Verbände. Der Anspruch von Demokratie kann es nicht nur sein, dieser Ordnung durch Abstimmungen und Minderheitenschutz Legitimation zu verschaffen. Demokratie formuliert den Imperativ der "Sorge um das ganze Haus". Diese Sorge verlangt den Gemeinwesenbürger. Das ist der Citoyen, der versucht, die Spaltung der Wirklichkeit in seine subjektiven Orientierungen und die Pflege des Systems sowie der Inhalte demokratischer Institutionen klein zu halten, sich also auch einmal im Interesse des Gemeinwesens zurückzunehmen.

Diese Ansprüche sollten wir uns vor Augen halten: kaum etwas von den lang erkämpften Errungenschaften unserer politischen Ordnung wird gesichert sein, wenn nicht ständig um zumindest erträgliche Verhältnisse in einer demokratischen Republik gerungen wird.

Dagegen bilden sich "Schwarzmarktfantasien, die auf die Spaltung dieser Wirklichkeit drängen"9 und deren Ergebnis nur die Sprengung des Gemeinwesens sein kann:
Steuerflucht und gated communities, verbissene Arbeitsplatzverteidigung gegen Arbeitsuchende, shareholder-Bewusstsein und -Handeln von Rentiers und Erben sind ebenso Ausdruck dieser Wirklichkeitsspaltung wie Wahlverweigerung oder Jagd auf Fremde.

Man sehe sich die zunehmende soziale und kulturelle Spaltung unserer Gesellschaft und die dazu verbreiteten ideologischen Rechtfertigungen des Kapitalismus als marktwirtschaftlichen Konkurrenzmechanismus mit betriebswirtschaftlichen Imperativen an.
Wenn wir heute zum neuen Rechtsextremismus, der meines Erachtens mit zunehmender Berechtigung als neuer Nationalsozialismus treffend zu kennzeichnen ist, Stellung nehmen, dann geschieht dies aus Sorge um die zunehmende Spaltung und Gewaltförmigkeit unserer Gesellschaft. Diese wiederum ist Ausdruck von institutionell-administrativer und subjektiv um Vorteile bedachter Ausgrenzung des Anderen, des Fremden, des Arbeitsplatz- oder Wohlfahrtskonkurrenten. Die Sarrazinisierung von Gesellschaft kann das auch genannt werden.

Wir haben vielleicht noch ein wenig Zeit für die Herstellung von politischen Diskursebenen, auf denen freie Gesellschaften in Verantwortung für die Gemeinwesen der Welt Zukunft tragende Entscheidungen treffen können. Die Gesellschaft von Weimar hatte die nicht. Wenn man sich die Irrungen und Katastrophen damaliger Zeit vor Augen führt, könnten wir fast dankbar für das Gefühl sein, dass sich die Gesellschaft heute zu wenig bewege, zu behäbig und allmählich, bei allem medialen Bohei um Kleinigkeiten das Aussitzen zur Hochkultur jeder Debatte erhebend, dahintrotte. Ich meine das jetzt nicht wirklich so - denn wenn wir Entscheidungen hinausschieben, können sich Widersprüche und ungelöste Problem, gesellschaftsanalytische Irrtümer und politisches Versagen in zerstörerische Dimensionen auswachsen.

Wir werden nicht umhin kommen, uns einzumischen, Politik und Macht nicht - frei nach Hegel - den modernen Geschäftsführern des Weltgeistes, der Managerkaste in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Medien, zu überlassen. Erinnerungsarbeit, wie wir sie verstehen möchten und wie wir sie hier präsentieren, ist integraler Bestandteil der Selbstvergewisserung zur Erlangung von politischer Urteilskraft.

Lassen Sie mich schließen mit einer öffentlichen politischen Lagebeurteilung von Carl v. Ossietzky vom 3. Januar 1933 mit dem Titel Wintermärchen:10 Der Artikel beginnt:
"Am Anfang des Jahres 32 stand die Nazidiktatur vor der Tür, war die Luft voll Blutgeruch, schien die Erfüllung des Programms von Boxheim nur eine Frage der Zeit zu sein. An seinem Ende wird die Hitlerpartei von einer heftigen Krise geschüttelt, sind die langen Messer still ins Futteral zurückgesteckt und öffentlich sichtbar nur die langen Ohren des Führers. Die deutsche Entwicklung geht nicht glatt aber rapid."11

Der Artikel endet:
2Die Hitlerpartei betont gern ihre Andersartigkeit, und sie darf in der Tat nicht mit hergebrachten Normen gemessen werden. Würde sie heute jäh in Atome zerspringen, so bliebe doch das Faktum bestehen, dass sie noch vor kurzem fünfzehn Millionen Wähler gefunden hat. Sie muss also nicht nur einem politischen Bedürfnis sondern auch einer speziellen deutschen Gemütslage entsprechen. Ihre Brutalität, Großmäuligkeit und Hirnlosigkeit haben nicht abschreckend, sondern anziehende gewirkt und bedingungslose Gefolgschaft gefunden. Das bleibt eine nicht leicht zu beseitigende Tatsache. Die Nationalsozialistische Partei hat für fünfzehn Millionen Deutsche genau das erfüllt, was sie sich unter einer politischen Partei vorgestellt haben. Niemals ist das deutsche Bürgertum in einem Säkulum so ehrlich gegen sich gewesen wie in diesen paar Jahren nationalsozialistischen Wachstums. Da gab es nicht mehr intellektuellen Aufputz, nicht mehr geistige Ansprüche, nicht mehr akademische Fassade reicherer Jahrzehnte. Der ökonomische Zusammenbruch hat die innere Rohheit, die plumpe Geistfeindlichkeit, die harte Machtgier bürgerlicher Schichten - Eigenschaften, die sich sonst halb anonym hielten oder in private Sphäre ableiteten - offen bloß gelegt. Nur einmal haben nationalistischer Blutrausch und politische Hilflosigkeit so bedenkenlos Hochzeit gefeiert, und das war zu Kriegsbeginn. Insofern ist die Nationalsozialistische Partei der in Permanenz erklärte 4. August. Sie trägt am deutlichsten die Illusion dieses traurigen Datums der deutschen Geschichte in eine veränderte Zeit.
Der große völkische Führer mit dem Äußern und den Allüren eines Zigeunerprimas mag seine Saison haben und mit dieser abblühen. Was er an bösen und hässlichen Instinkten hervorgerufen hat, wird nicht so leicht verwehen und für lange Jahre noch das gesamte öffentliche Leben in Deutschland verpesten. Neue politische und soziale System werden kommen, aber die Folgen Hitlers werden aufstehen, und spätere Generationen noch werden zu jenem Gürtelkampf antreten müssen, zu dem die deutsche Republik zu feige war."12

Welch tragische Komposition von klarsichtiger Analyse und verhängnisvollem politischem Irrtum!
Aus beidem sollten wir lernen.


1 Der Vortrag von J. Perels ist im Ausstellungskatalog abgedruckt, der von S. Steinbacher wird in einer für das Frühjahr nächsten Jahres geplanten Edition aller im Rahmen der Ausstellungspräsentationen gehaltenen Vorträge erscheinen. Vgl. auch pdf auf www.harzburgerfront.de
2 Oskar Negt 2010: Der politische Mensch. Demokratie als Lebensform, Göttingen, S.36
3 Ausführlicher: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern an der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung".
Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik, Pädagogik, I: Werke in sechs Bänden, Bd. VI, Darmstadt (Wiss. Buchgesellschaft) 1964, S.53.
4 "In jedem gegebenen geschichtlichen Augenblick gab (und gibt) es Alternativen. Sie zu unterschlagen, weil sie nicht realisiert wurden (oder werden, P.S.) bedeutet die Wirklichkeit grundlegend zu verkennen." Hugh Trevor- Roper 1980: History and Imagination, Oxford, S.2. In Menschenwelten haben wir es stest mit Handlungsalternativen zu tun, das wissen wir schon seit Aristoteles. "Wäre es nicht so, so gäbe es - wider allen deterministischen Vorstellungen und trotz der Zwänge jeweils gegebener Handlungsbedingungen - keinerlei Bedarf an Politik als kollektiv bindendem Entscheiden."
Aristoteles: "Der Ursprung des Handelns ... ist die Entscheidung zwischen mehreren Möglichkeiten. Der ursprung der Entscheidung ist das Streben und die Reflexion, die den Zweck aufzeigt. ... Das Debken allerdings setzt nichts in Bewegung, erst wenn es sich auf einen Zweck (telos) und auf ein Handeln (prxis) einstellt."
Nichomaische Ethik. Buch VI. Stuttgart 1969, S.155. 5 Jürgen Habermas 1987: Eine Art Schadensabwicklung, Frankfurt/Main, S.175.
6 Legendenbildungen werden nämlich seit geraumer Zeit für diese so kurze aber zentrale Epoche deutscher Geschichte der Weimarer Republik eifrig gefertigt von jüngeren Wissenschaftlern, die plötzlich das Weimarer Bürgertum als prinzipiell liberal-republikanisch-demokratischen Hort von deutscher Gesellschaft des 20. Jahrhunderts überhaupt entdecken. Das allerdings wider aller bisher als gesichert geltenden Kenntnis von Geschichte aus einem einzigen Grund: weil sie das Bürgertum der Jetztzeit zum Träger gesellschaftlicher Vernunft und Verantwortung stilisieren wollen. Ich meine zuvörderst den medial so hoch gejazzten Paul Nolte, Professor für Geschichte in Berlin. Paul Nolte, 2000: Die Ordnung der deutschen Gesellschaft. Selbstentwurf und Selbstbeschreibung im 20. Jahrhundert, München (Habil. Mai 1999, Bielfeld.) Synoptisch dazu gelesen: Paul Nolte 2004 (4): Generation Reform. Jenseits der blockierten Republik, München wird seine Vergangenheitsinterpretation begreifbar.
7 Verein Spurensuche Harzregion (Hg.) 2007 (20092): Harzburger Front von 1931 - Fanal zur Zerstörung einer demokratischen Republik. Historisches Ereignis und Erinnern in der Gegenwart. Eine Dokumentation, Goslar.
8 Sebastian Haffner 2000(5): Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914-1933, Stuttgart/München, S.173.
9 Negt, a.a.O., S.25.
10 Die Weltbühne, 29. Jg. v. 3. Januar 1933 S. 3-4
11 Zur Erläuterung: Die von Werner Best, damals Amtsrichter und Rechtsberater der NSDAP später Chef des Amtes Verwaltung und Sicherheit im Reichssicherheitshauptamts, im Sommer 1931 entworfenen sogenannten Boxheimer Dokumente waren eine Handlungsanleitung zur Zerschlagung der politischen Gegner im Fall einer Usurpation der Macht durch die Nationalsozialisten. Sie gelangten noch vor dem Treffen der Harzburger Front an die Öffentlichkeit und erregten einige Aufmerksamkeit.
12 Diese Worte stammen aus der Feder von Carl v. Ossietzky kurz nachdem ihn die Republik aus dem Kerker, in den sie ihn wegen Enthüllungen über die Reichswehr für 18 Monate eingesperrt hatte, entlassen hatte. Wenige Wochen später wurde er von den NS-Machthabern ins KZ verbracht. Er starb 1938 an den Folgen der erlittenen Haft.

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